
Es mutet für mich immer ein wenig seltsam an, wenn ich nach dem ganzen Prozess der analogen Fotografie (was mit der aktuellen Auswahl der Kamera beginnt und der Frage, wie aufwändig möchte ich heute fotografieren), der Filmauswahl (wie ist das Wetter? Was will ich knipsen?), der Entwicklung im Chemiegepansche und der anschließenden Dunkelkammerarbeit, ein Handyfoto von den Ergebnissen mache.
Ich bin ein großer Verfechter, das beste aus zwei Welten rauszuholen. Schließlich scanne auch auch die Negative und nicht jedes Bild wird auf Papier ausbelichtet, die meisten schaffen es nur bis ins Bearbeitungsprogramm.
Dennoch bin ich mir bewusst, dass das ein Bruch ist. Ein notwendiger, da ich die Fotos ja nicht per Brief rumschicken mag, um sie euch zu zeigen. Entweder ich behalte die Ergebnisse für mich oder ich nehme in Kauf, dass aus den wunderschönen kleinen zarten Körnchen auf dem Fotopapier wieder banale Pixel werden.
Es ist ein bisschen wie Kauderwelsch, Durcheinandergeratenes und es fühlt sich für mich schräg und unverständlich an. Wenn ich überlege, wie viel Arbeit ich in der Dunkelkammer leiste, wie mühsam ich scharf stelle, die notwendige Belichtungszeit austüftle, die meiste Zeit in einem dämmrigen oder nahezu stockdunklen Raum stehe und mir (da er im Keller ist) die Nasenspitze abfriere, erscheint mir so eine einfache Abfotografie dem nicht gerecht zu werden.
Was bedeutet das also? Betrüge ich mich gerade ein bisschen selbst, jetzt, wo ich recht stolz meine gelungenen Abzüge betrachte, überlege, ob ich vielleicht eines davon rahmen soll und aufhängen. Jetzt, wo ich mir analog auf die Schulter klopfe und mich so autark wie möglich von der Pixelfotografie fühle? Belüge ich mich, wenn ich Filmrollen bunkere und Entwickler teste, mich dabei wie ein rückwärtsgerichteter Pionier fühle, eine, die erhält, was bei vielen Fotosüchtigen belächelt wird, inzwischen wie ein Relikt aus einer versunkenen Welt wirkt und doch vor knapp 25 Jahren noch durchaus üblich und normal war?
Die Antwort ist ein einfaches Ja, denn ohne das ganze digitale Drumherum würde wirklich nicht mehr viel gehen. Das fängt damit an, dass ich hier bei mir bestenfalls ein paar Durchschnittsfilmrollen beim ansässigen Drogeriemarkt finde und die Bilder auch nur dort mit viel Zeit- und Geldaufwand entwickeln lassen könnte. Möchte ich anderes Material und selbst entwickeln, müsste ich – rein analog – zu einem Laden fahren, der sie verkauft. Mein Lieblingsshop ist in Berlin und das ist eine ganz schön nette Strecke für ein bisschen Film. Also bestelle ich online. Habe ich Probleme, suche ich auch nur noch selten die Anleitungen heraus (die ich in den meisten Fällen aber auch nicht besitze), sondern frage per Mail oder in Gruppen nach, wo sich Gleichgesinnte treffen.
Ich scanne, wie erwähnt, damit ich einen Eindruck vom Bild bekomme und natürlich, um es in den digitalen Medien zu zeigen und ein bisschen Lob einzuheimsen. Gut gemacht, ich klopfe mir im Gleichtakt mit den digitalen Likes analog auf die Schulter und genieße für einen Moment das Gefühl, Purist zu sein. Dann erwache ich aus dem Traum und tippe ein paar Antworten auf Fragen zum Bild.
Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, will ich auch nicht. So, wie es ist, ist es gut. Früher habe ich auch nicht alle Filme und alle Chemie in meinem Heimatort bekommen. Da wäre ich da auch nicht so leicht drangekommen. ich hätte per Post einen Katalog bestellen müssen, dann dort suchen, die Wünsche in ein Formular eintragen und alles abschicken müssen. Drei Wochen später hätte ich mit der abgezählten Nachnahme hinter der Tür gestanden, um das Paket entgegenzunehmen. Und gesehen hätte die Bilder vielleicht meine Mutter. Und die hätte dann gestaunt und sich umgedreht, um das Mittagessen zu machen. Ahnung hatte sie davon nicht.
So, wie es ist, ist es gut. Nur ganz verschwinden, irgendwann digital überrollt werden, das darf sie nicht, die analoge Fotografie. ich würde sie sehr vermissen.
Alice aus der Dunkelkammer