Gesichter

Analoge Fotografie

Mit 17 war ich mit meinem Verlobten in Sri Lanka, das ist verflixt lange her. Einige Bilder aus dieser Zeit sind bereits verblasst, werden nur durch die alten Fotos wieder herauf beschworen. Doch eine Szene ist fest in Herz und Hirn eingebrannt, hat aus Gründen eben keinen Weg auf das Negativ gefunden.

Ein buddhistischer Tempel irgendwo im Nirgendwo, darin ein Schrein mit einem vergoldeten Buddha über einem kleinen Wasserbecken. Kerzen brannten und durch ein kleines Fenster fiel Licht von oben auf die Szenerie. Tempelblumen lagen im Wasserbecken, der restliche Raum verschwand in Dunkelheit. Eine Frau in mittleren Jahren mit einem roten Tuch über den langen Haaren trat an das Becken heran, die Hände zu einer Schale geformt in der Blumen lagen. Sie schloss die Augen und betete. Mein Verlobter stieß mich an, ich solle fotografieren. Das ich es nicht tat, war nicht nur dem schwachen Licht geschuldet. Der Moment war so intim, da hatte meine Kamera nichts verloren.

Doch ihr Gesicht, diese Hingabe, das Bild trage ich in meinem Herzen. Und danach war klar, dass ich genau das Fotografieren will, Menschen, Gesichter, die gelebt haben, die mehr zeigen, als eine glatte Larve, Augen, in denen sich ihre Seele spiegelt.

Ich bin ein wenig schüchtern und traute mich nie, jemanden anzusprechen. Doch so komme ich nicht weiter, würde mir klar, als Bäume und Häuser mir nicht mehr reichten, mich aber die glatten Modelgesichter in diversen Gruppen mich nur anödeten.

Ich habe gefragt, da, wo ich mich erhole, in meinem Atelier nämlich. Und fast alle ließen sich auf das Experiment ein. Die Rechte der Bilder bleiben bei den Modellen, das stört mich auch nicht. Ich muss nicht alles zeigen. Wenn sie ihnen gefallen, dürfen sie sie zeigen. Das würde mich freuen. Mir reichen die nahen Augenblicke und das, was in dem provisorischen Fotostudio passiert.

Ich lerne über Licht und Spotmessung, wie meine Kamera tickt und wie ich mich dabei wahrnehme. Ich lerne Regie zu führen, auszutesten, welche Pose zu welchem Menschen passt, zu führen ohne zu dominieren. Das ist in vielfacher Richtung sehr gut für mich.

Die entstandenen Bilder? Die sind mal so, mal so. Manches geht schief, technische Probleme, ein Wackler an der falschen Stelle, das passiert. Doch es gibt auch welche, wo mir beim Betrachten der Atem stockt, wo mir klar wird, dass ich das kann, das genau das meins ist.

Gesichter erzählen Geschichten. Und ich möchte genau diese sichtbar machen.

Alice aus der Dunkelkammer

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